2010–2019
Auf dass die Verlorenen gefunden werden
April 2012


Auf dass die Verlorenen gefunden werden

Wenn Sie sich bemühen, das Evangelium und die Lehre Christi zu leben, wird der Heilige Geist Sie und Ihre Familie leiten.

Brüder und Schwestern, den heiligen Schriften zufolge war der Liahona „eine runde Kugel von gediegener Machart“ mit zwei Spindeln; eine zeigte Lehis Familie den Weg an, wohin sie in die Wildnis gehen sollte (1 Nephi 16:10).

Ich kann mir denken, weshalb Lehi überaus erstaunt war, als er dies zum ersten Mal sah. Ich weiß nämlich noch, wie ich reagierte, als ich zum ersten Mal miterlebte, wie ein Navigationsgerät funktioniert. Für mich war dies ein neuzeitliches Gerät „von gediegener Machart“. Irgendwie, auf eine mir unbegreifliche Weise, kann eine kleine Vorrichtung in meinem Handy ganz genau lokalisieren, wo ich bin, und mir genau anzeigen, wie ich an mein Ziel gelange.

Für meine Frau Barbara und mich ist ein solches Gerät segensreich. Barbara ist froh, dass sie mir jetzt nicht mehr sagen muss, ich solle anhalten und nach dem Weg fragen; und ich meinerseits kann meist zu Recht erklären: „Ich brauche niemanden zu fragen. Ich weiß genau, wo es langgeht.“

Brüder und Schwestern, wir können auf ein Hilfsmittel zurückgreifen, das sogar noch erstaunlicher ist als das beste Navigationsgerät. Jeder von uns kommt irgendwann zu einem gewissen Grad vom Weg ab. Doch durch die Eingebungen des Heiligen Geistes können wir wohlbehalten wieder auf den rechten Weg zurückgelangen, und dank des Sühnopfers des Heilands können wir nach Hause zurückkehren.

Sowohl eine ganze Gesellschaft wie auch der Einzelne können verloren gehen. Wir leben heute in einer Zeit, in der ein Großteil dieser Welt vom Weg abgekommen ist, besonders was Werte und Prioritäten in der Familie betrifft.

Vor 100 Jahren hat Präsident Joseph F. Smith dargelegt, dass das Glück unmittelbar mit der Familie zusammenhängt, und uns ermahnt, unsere Anstrengungen dort zu bündeln. Er sagte: „Es kann außerhalb der Familie kein wahres Glück geben. … Ohne Dienen gibt es … kein Glück, und kein Dienst ist größer als der, der das Zuhause in eine göttliche Institution verwandelt und das Familienleben fördert und bewahrt. … Die Familie [muss] reformiert werden.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Joseph F. Smith, Seite 382, 384.)

Das Zuhause also – die Familie – muss in dieser zunehmend materialistischen, profanen Welt reformiert werden. Ein erschreckendes Beispiel ist, dass die Ehe hier in den Vereinigten Staaten immer geringer geachtet wird. In der New York Times wurde dieses Jahr bereits berichtet, dass „der Anteil an Kindern, die von unverheirateten Frauen zur Welt gebracht werden, eine Schwelle überschritten hat: Über die Hälfte aller Kinder von Amerikanerinnen unter 30 werden unehelich geboren.“ (Jason DeParle und Sabrina Tavernise, „Unwed Mothers Now a Majority Before Age of 30“, New York Times, 18. Februar 2012, Seite A1.)

Uns ist auch bekannt, dass von den Paaren in den Vereinigten Staaten, die doch heiraten, sich fast die Hälfte wieder scheiden lässt. Selbst diejenigen, die verheiratet bleiben, kommen häufig vom Weg ab, weil sie zulassen, dass anderes die Beziehungen in der Familie beeinträchtigt.

Ebenso besorgniserregend ist die immer breiter werdende Kluft zwischen Arm und Reich und zwischen denjenigen, welche die Werte und Pflichten der Familie beharrlich aufrechterhalten, und denen, die damit aufgehört haben. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass jemand, der weniger gebildet ist und daher ein niedrigeres Einkommen hat, heiratet und in die Kirche geht, und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass er sich auf Straftaten einlässt und uneheliche Kinder bekommt. Diese Tendenzen sind auch in vielen anderen Teilen der Welt beunruhigend (siehe W. Bradford Wilcox und andere, „No Money, No Honey, No Church: The Deinstitutionalization of Religious Life among the White Working Class“, zu finden unter www.virginia.edu/marriageproject/pdfs/Religion_WorkingPaper.pdf.).

Im Gegensatz zu dem, was viele angenommen haben, sind Wohlstand und Bildung anscheinend damit verknüpft, dass jemand eher eine Familie im klassischen Sinn gründet und traditionelle Werte hochhält.

Die entscheidende Frage dreht sich aber natürlich um Ursache und Wirkung. Findet man in manchen Gesellschaftsschichten festere Werte und intaktere Familien, weil sie gebildeter und wohlhabender sind, oder sind sie gerade wegen ihrer Werte und intakten Familien gebildeter und wohlhabender? In dieser weltweit vertretenen Kirche wissen wir, dass Letzteres zutrifft. Wenn jemand die Verpflichtungen aus dem Evangelium in Hinblick auf Familie und Religion auf sich nimmt, geht es ihm in geistiger und oft auch in materieller Hinsicht besser.

Und natürlich wird auch die Gesellschaft als Ganzes gestärkt, wenn Familien enger zusammenwachsen. Die Verpflichtung gegenüber der Familie und Werten ist die Ursache. Fast alles andere ist die Wirkung. Wenn ein Paar heiratet und gegenseitig Verpflichtungen eingeht, erhöht es damit enorm seine Chancen, dass es ihm in wirtschaftlicher Hinsicht gut geht. Wenn ein Kind ehelich geboren wird und mit Mutter und Vater aufwächst, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es später beruflich erfolgreich ist, explosionsartig an. Wenn Familien zusammen arbeiten und spielen, gedeiht das Gemeinwesen im Kleinen wie im Großen; es geht mit der Wirtschaft bergauf und es werden weniger staatliche Mittel und kostspielige „Auffangnetze“ benötigt.

Die schlechte Nachricht ist also, dass der Zerfall der Familie eine lange Reihe gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Probleme nach sich zieht. Doch die gute Nachricht ist: Getreu dem Prinzip von Ursache und Wirkung können diese Probleme behoben werden, wenn nämlich die Ursache beseitigt wird. Ungerechtigkeit wird dadurch behoben, dass die richtigen Grundsätze und Werte zur Anwendung kommen. Brüder und Schwestern, der wichtigste ursächliche Grund dafür, dass wir leben, ist die Familie. Wenn wir uns diesem eigentlichen Grund widmen, verbessert sich unser Leben in jeder Hinsicht, und wir werden als Volk und als Kirche ein Beispiel und ein Leuchtfeuer für alle Völker der Erde sein.

Dies ist jedoch nicht leicht in einer Welt, in der sich das Herz der Menschen den verschiedensten Dingen zuwendet und in der sich der gesamte Planet unablässig in einem früher noch unvorstellbaren Tempo zu drehen und zu verändern scheint. Nichts bleibt lange so, wie es war. Moden, Trends, Stimmungen, das politisch Korrekte und selbst die Auffassung davon, was richtig und falsch ist, ändern sich ständig. Wie der Prophet Jesaja vorhergesagt hat, wird das Böse gut und das Gute böse genannt (siehe Jesaja 5:20).

Die geistige Kluft wird immer größer, da das Böse in immer trügerischerer und raffinierterer Form auftritt und die Menschen anzieht wie ein schwarzer Magnet, während das Evangelium der Wahrheit und des Lichts die Aufrichtigen und Ehrenhaften der Erde, die sich um Wertmaßstäbe und Gutes bemühen, zu sich zieht.

Wir mögen verhältnismäßig klein an Zahl sein, doch können wir als Mitglieder dieser Kirche über diese wachsende Kluft hinweg die Hand ausstrecken. Wir kennen die Macht des Dienens, bei dem Christus im Mittelpunkt steht und das die Kinder Gottes zusammenbringt, ungeachtet ihres geistigen oder wirtschaftlichen Standes. Vor einem Jahr hat uns die Erste Präsidentschaft aufgefordert, einen Tag des Dienens durchzuführen, um das 75-jährige Bestehen des Wohlfahrtsprogramms zu feiern, mit dem die Eigenständigkeit gefördert wird. Unsere Mitglieder überall haben Millionen von Arbeitsstunden gespendet.

Die Kirche ist unser Liegeplatz in diesem stürmischen Meer, ein Anker in der wogenden See der Veränderung und Spaltung, ein Leuchtfeuer für diejenigen, denen Rechtschaffenheit etwas bedeutet und die sich dafür einsetzen. Der Herr setzt die Kirche als Werkzeug ein, um seine Kinder auf der ganzen Welt unter den Schutz des Evangeliums zu bringen.

Auch der Geist des Elija, dem keine Grenzen gesetzt sind, trägt mit großer Macht dazu bei, dass die Absichten des Herrn in Bezug auf die ewige Bestimmung seiner Kinder ausgeführt werden. Wie Maleachi sagte, wird der Heilige Geist „das Herz der Väter wieder den Söhnen zuwenden und das Herz der Söhne ihren Vätern“ (Maleachi 3:24).

In der Kirche zeigt sich beispielhaft, wie sich Herzen einander zuwenden; sie dient als Katalysator, um Gutes in der Welt herbeizuführen. Unter den Mitgliedern der Kirche, die im Tempel geheiratet haben und die sonntags regelmäßig in die Kirche gehen, ist die Scheidungsrate erheblich niedriger als beim Rest der Welt, Familien bleiben stärker verbunden und stehen in engerem Kontakt. Unsere Familien sind gesünder, und unsere Lebenserwartung liegt ein gutes Stück über dem Durchschnitt der Bevölkerung. Pro Kopf spenden wir mehr Geld und leisten mehr Dienst für wohltätige Zwecke und bemühen uns mit größerer Wahrscheinlichkeit um einen höheren Bildungsabschluss. Ich streiche das nicht alles heraus, um damit anzugeben, sondern um zu bezeugen, dass das Leben besser ist und man glücklicher ist, wenn man das Herz der Familie zuwendet und die Familie im Licht des Evangeliums Christi wandelt.

Wie können wir es nun vermeiden, dass wir verloren gehen? Zunächst einmal möchte ich vorschlagen, dass wir Prioritäten setzen. Stellen Sie alles, was außerhalb Ihrer vier Wände zu tun ist, dem hintan, was innerhalb der Familie anliegt, damit diese gestärkt wird. Denken Sie an die mahnenden Worte von Präsident Harold B. Lee: „Die wichtigste Arbeit, die Sie jemals … tun können, ist das, was Sie in Ihren vier Wänden tun.“ (Lehren der Präsidenten der Kirche: Harold B. Lee, Seite 134.) Zeitlos ist auch diese Aussage von Präsident David O. McKay: „Kein anderweitiger Erfolg kann ein Versagen in der Familie wettmachen.“ (Zitat von J. E. McCulloch, aus Home: The Savior of Civilization, 1924, Seite 42; Frühjahrs-Generalkonferenz 1935.)

Gestalten Sie Ihr Leben so, dass Zeit zum Beten, für das Schriftstudium und für gemeinsame Unternehmungen als Familie bleibt. Übertragen Sie Ihren Kindern Pflichten im Haushalt, damit sie lernen zu arbeiten. Bringen Sie ihnen bei, dass sie von dem Schmutz, der sexuellen Freizügigkeit und der Gewalt im Internet, in den Medien und in Videospielen ferngehalten werden, wenn sie das Evangelium leben. Dann gehen sie nicht verloren und sind darauf vorbereitet, Verantwortung zu übernehmen, wenn es darauf ankommt.

Zweitens: Wir müssen uns an die richtige Reihenfolge halten! Zuerst kommt die Eheschließung, erst darauf folgen die Kinder. Zu viele in der Welt haben diese natürliche Reihenfolge vergessen oder glauben, sie könnten sie ändern oder gar umdrehen. Wischen Sie alle Ängste mit Ihrem Glauben fort. Vertrauen Sie dabei auf die Macht Gottes und lassen Sie sich von ihr leiten.

Denjenigen von Ihnen, die noch nicht verheiratet sind, sage ich: Halten Sie aufmerksam nach einem Partner für die Ewigkeit Ausschau. Den jungen Brüdern möchte ich noch etwas anderes ins Gedächtnis rufen, was Präsident Joseph F. Smith gesagt hat: „Einem oberflächlichen Menschen [scheint] das Junggesellendasein … wünschenswert zu sein, weil [es] nur ein Minimum an Verantwortung mit sich [bringt]. Der eigentliche Fehler liegt bei den jungen Männern. Die Freiheiten, die sie in dieser Lebensphase genießen, bringen sie vom Pfad der Pflicht und der Verantwortung ab. … Wer darunter leidet, sind die Schwestern … [Sie] würden ja heiraten, wenn sie denn könnten, und die Pflichten des Familienlebens frohgemut auf sich nehmen.“ (Gospel Doctrine, 5. Auflage, 1939, Seite 281.)

Und den jungen Schwestern möchte ich sagen, dass auch Sie diese Aufgabe nicht aus den Augen verlieren dürfen. Keine Karriere kann so erfüllend sein wie das Großziehen von Kindern. Wenn Sie einmal so alt sind wie ich, wird Ihnen das noch klarer sein.

Drittens: Ehemänner und Ehefrauen, Sie müssen in der Ehe gleichwertige Partner sein. Lesen Sie die Proklamation zur Familie oft, machen Sie sich klar, was darin ausgesagt wird, und halten Sie sich daran. Vermeiden Sie ungerechte Herrschaft in jedweder Form. Niemand besitzt den Partner oder seine Kinder. Gott ist unser aller Vater und hat uns den Vorzug gewährt, der zuvor nur ihm allein zukam, nämlich selbst eine Familie zu gründen, damit wir ihm ähnlicher werden können. Als seine Kinder sollen wir in der Familie lernen, Gott zu lieben und zu erkennen, dass wir ihn um die Hilfe bitten können, die wir brauchen. Ein jeder – ob verheiratet oder alleinstehend – kann glücklich sein und seiner Familie, wie auch immer diese geartet sein mag, eine Stütze sein.

Und zum Schluss: Nutzen Sie die für die Familie bestimmten Hilfsmittel der Kirche. Die Familie kann bei der Erziehung der Kinder die Hilfe der Gemeinde in Anspruch nehmen. Unterstützen Sie die Führungsbeamten des Priestertums und der Hilfsorganisationen und arbeiten Sie Hand in Hand mit ihnen. Schöpfen Sie die Angebote der Kirche für Jugendliche und Familien voll aus. Behalten Sie einen weiteren tiefgründigen Ausspruch Präsident Lees im Gedächtnis, nämlich dass die Kirche das Gerüst ist, von dem aus wir die ewige Familie errichten (siehe Lehren: Harold B. Lee, 2000, Seite 148).

Falls Sie aus irgendeinem Grund als Einzelner oder als Familie vom Weg abgekommen sind, müssen Sie nur ausführen, was der Heiland im Lukasevangelium, Kapitel 15, sagt, um Ihren Kurs zu berichtigen. Darin erzählt der Herr davon, wie beharrlich ein Hirte nach einem verlorenen Schaf sucht, wie eine Frau nach einer verlorenen Münze sucht und wie der verlorene Sohn willkommen geheißen wird, als er nach Hause zurückkehrt. Warum hat Jesus diese Gleichnisse erzählt? Er wollte uns wissen lassen, dass niemand jemals derart verloren gehen kann, dass er nicht dank seines Sühnopfers und seiner Lehren auf den Weg zurückgelangen könnte.

Wenn Sie sich bemühen, das Evangelium und die Lehre Christi zu leben, wird der Heilige Geist Sie und Ihre Familie leiten. Dann haben Sie ein geistiges Navigationsgerät, das Ihnen immer anzeigt, wo Sie sich befinden und wohin Sie unterwegs sind. Ich gebe Zeugnis, dass der auferstandene Erlöser der Menschheit uns alle liebt, und er hat verheißen, dass er uns sicher in die Gegenwart unseres Vaters im Himmel zurückführt, wenn wir ihm nachfolgen. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.