2002
Die Lehre von der Tempelarbeit
August 2002


Die Lehre von der Tempelarbeit

Der Tempel ist eine Stätte der Offenbarung, der Inspiration, des Nachsinnens und des Friedens – eine Stätte, wo man Kraft schöpfen, den Sinn frei machen, Antwort auf sein Beten finden und in den Genuss der Zufriedenheit kommen kann, die Gottesverehrung und Dienen schenken.

Als ich als junger Mann meinen Militärdienst beendet hatte, kehrte ich in mein Elternhaus in Utah zurück, etwa 65 Kilometer von der Stadt Manti entfernt. Erst kurz zuvor war bekannt gegeben worden, dass der Manti-Tempel ein wenig vergrößert werden sollte, und die Führer der Kirche suchten nach freiwilligen Helfern zur Verwirklichung dieses Projektes. Ich trug mich für einen Zeitraum von zwei Wochen ein und fand mich bald dabei wieder, wie ich die Spitzhacke schwang und Steine herausbrach und wegtrug. Die heiße Sommersonne brannte den ganzen Tag auf uns nieder; die Arbeit war anstrengend und ziemlich gleichförmig. Ein paar Mal hatte ich schwer zu kämpfen, um einen bestimmten Stein herauszubrechen, und fragte mich dann, ob ich dem Ruf nach freiwilligen Helfern nicht etwas zu übereilt gefolgt war.

Doch im Laufe der Tage wurde mir dann ein bemerkenswertes geistiges Erlebnis zuteil. Während der schweren Arbeit hörte und fühlte ich nämlich mehrmals, wie der Heilige Geist mir zuflüsterte, dass ich irgendwann später beim Bau weiterer Tempel helfen würde. Es war eine zwar unspektakuläre, aber dennoch ganz deutliche Eingebung. Damals war ich im Begriff, die Arbeit auf einer Viehfarm wieder aufzunehmen, und deshalb konnte ich mir überhaupt nicht erklären, was ich mit dem Bau von Tempeln zu tun haben würde. Aber ich nahm das Gefühl als Inspiration an. Im Laufe der Jahre habe ich mich noch gelegentlich darüber gewundert, konnte mir die Erfüllung dieses Gedankens aber immer noch nicht vorstellen. Dennoch war ich sicher, dass die leise, feine Stimme mir diese Eingebung zugeflüstert hatte.

Während der letzten Jahre durfte ich dann doch miterleben, wie diese Verheißung auf eine Weise in Erfüllung gegangen ist, die ich mir nie erträumt hätte, denn ich bekam die Möglichkeit, während dieser spannenden Wachstumsphase in der Tempelabteilung zu arbeiten. So konnte ich unmittelbar miterleben, wie sehr es Präsident Gordon B. Hinckley am Herzen liegt, immer mehr Menschen auf der Welt den Zugang zum Tempel zu ermöglichen, und ich teile seine Begeisterung für die Segnungen, die einem die Verordnungen im Tempel schenken. Präsident Hinckley hat gesagt: „Mit meiner ganzen Überzeugungskraft fordere ich unsere Mitglieder überall auf, würdig zu leben, damit sie einen Tempelschein haben können. Betrachten Sie den Tempelschein als etwas Wertvolles, und unternehmen Sie größere Anstrengungen, um zum Haus des Herrn zu gehen und am Geist und den Segnungen des Tempels teilzuhaben.“1Hier wiederholt Präsident Hinckley die Worte der Propheten vor ihm. Der Prophet Joseph Smith beispielsweise hat vor den Folgen gewarnt, die wir zu tragen haben, wenn wir die uns zur Verfügung stehenden Tempel nicht nutzen: „Die Heiligen, die die [Tempelarbeit] für ihre verstorbenen Vorfahren vernachlässigen, tun das auf die Gefahr hin, selbst nicht errettet zu werden.“2

Die Tempelverordnungen sind also ganz offensichtlich für die Ewigkeit von Bedeutung, gleichzeitig aber sind sie nicht immer einfach einzuhalten. Ich möchte Ihnen daher einige Gedanken vorstellen, die den Mitgliedern das Wesen des Tempels besser erklären können. Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie sich für den Gottesdienst im Tempel bereitmachen müssen, und Ihnen praktische Ratschläge dazu geben.

„Tempelarbeit“ Ist Arbeit

Tempelarbeit bedeutet Dienen. Der Tempel ist die Stätte, wo wir etwas für andere Menschen tun können. Während der letzten Weihungsgottesdienste hat Präsident Hinckley angeregt, wir sollten uns nicht so sehr auf den persönlichen Nutzen des Tempelbesuchs konzentrieren, sondern die Tempelarbeit vielmehr als „Arbeit“ betrachten. Auch wenn der Tempelbesuch uns zahlreiche Segnungen ermöglicht, dürfen wir die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass es sich dabei um Arbeit handelt, und zwar um Arbeit, die Engagement und Pflichtbewusstsein verlangt.

Die Tempelarbeit ist den anderen Arten des Dienens innerhalb der Kirche gar nicht so unähnlich, beispielsweise der Missions- oder der Heimlehr- bzw. Besuchslehrarbeit, wo Menschen geholfen wird, die in Not sind. Ein solcher Dienst kostet uns in der Regel etwas und verlangt oft auch Opfer. Unser Prophet lädt uns ein, uns eine solche Einstellung zu Eigen zu machen, wenn wir den Tempel besuchen. Wir sollen dort nämlich in erster Linie dienen und nicht etwas für uns selbst tun. Der Erretter hat gesagt: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“3

Wenn wir ausschließlich unseretwegen in den Tempel gehen, verzichten wir damit vielleicht sogar auf den größten geistigen Nutzen dabei. Denken Sie einmal daran, was wir tun, wenn wir in den Tempel gehen. Gibt es da Parallelen oder Unterschiede zu dem, was man gemeinhin als „Arbeit“ bezeichnet? Arbeit ist oft schwierig und anspruchsvoll und manchmal sogar mühsam; sonst würden wir sie ja auch eher als Spiel verstehen. Arbeit verlangt, dass man sich engagiert. Wenn wir nun feststellen, dass der Tempelbesuch für uns eher etwas Passives ist, dann ziehen wir wahrscheinlich nicht den größtmöglichen Nutzen daraus.

Als offensichtliches Beispiel für diesen Unterschied mag die Arbeit eines Tempelarbeiters im Vergleich zu der eines Tempelbesuchers dienen. Der Tempelarbeiter empfindet die Arbeit im Tempel als richtige Arbeit; vom Auswendiglernen bis hin zum Vollzug der heiligen Handlungen gibt es viel zu tun. Dies führt natürlich dazu, dass der Tempelarbeiter mit den Verordnungen vertraut wird und dadurch noch mehr lernen und Fortschritt machen kann. Und wie ich als junger Mann beim Tempelbau in Manti erfahren habe, kann man durch bereitwilliges Arbeiten und Dienen den Sinn für geistige Erkenntnis bereitmachen.

Natürlich ist der Tempel eine Stätte der Zuflucht, wohin man sich zurückziehen kann, um zu lernen und sich selbst zu verstehen, doch kann man vom Tempelbesuch vielleicht sogar noch mehr profitieren, wenn man dort anspruchsvolle, anstrengende und harte Arbeit leistet. Der Vorteil dabei, dass wir zahlreiche Tempel haben, besteht ja nicht nur darin, dass mehr Mitglieder in den Tempel gehen können, sondern auch, dass mehr Mitglieder als Tempelarbeiter dienen können.

Wer in den Tempel geht, um zu dienen, sieht Altbekanntes dort vielleicht in neuem Licht. Denken Sie einmal an die Parallelen zwischen den Lehrmethoden, anhand derer die Verordnungen im Tempel vermittelt werden, und den Gleichnissen in der heiligen Schrift. Beide haben mehrere Bedeutungsebenen. Viele Gleichnisse des Erretters waren für die meisten seiner Zuhörer schwer zu verstehen. Manchen kamen sie banal und einfach vor. Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen, in dem vom anvertrauten Geld, dem verlorenen Schaf, der Witwe und dem ungerechten Richter oder dem verlorenen Sohn beispielsweise gibt es eine Geschichte, eine Aussage, die selbst ein oberflächlicher Zuhörer verstehen würde. Doch unverkennbar kommen in denselben Geschichten auch ungeheuer wichtige Wahrheiten zur Sprache, die wesentliche, grundlegende Prinzipien des Reiches erklären. Gleichermaßen können auch die heiligen Handlungen des Tempels Aspekte aufweisen, die zwar einfach erscheinen, aber demjenigen, der geistig weiter fortgeschritten ist, tiefgründige Einsichten vermitteln.

Die Grundlegende Lehre Von Der Arbeit Für Die Verstorbenen

Eine wichtige Funktion des Tempels besteht darin, dass im Tempel die heiligen Handlungen für unsere verstorbenen Vorfahren vollzogen werden. Wenn man sich die Tempelverordnungen vor Augen hält und darüber nachdenkt, dass die entsprechenden heiligen Handlungen richtig und fehlerlos vollzogen werden müssen, kommt einem auch die folgende eindringliche Schriftstelle in den Sinn:

„Ihr denkt vielleicht, diese Anordnung sei allzu ausführlich; ich will euch aber sagen, dass sie nur dem Willen Gottes entspricht, indem sie der Verordnung und Vorbereitung gerecht wird, die der Herr vor der Grundlegung der Welt verordnet und bereitet hat, und zwar für die Errettung der Toten, die sterben, ohne das Evangelium zu kennen. …

Denn deren Errettung ist für unsere eigene Errettung notwendig und wesentlich, wie Paulus in Bezug auf die Väter gesagt hat – dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden –, und auch wir können ohne unsere Toten nicht vollkommen gemacht werden.“4

Denken Sie an die tiefgründige Offenbarung, die Präsident Joseph F. Smith (1838–1918) geschaut hat:

„So wurde das Evangelium denen gepredigt, die in ihren Sünden gestorben waren, ohne von der Wahrheit gewusst zu haben, oder in Übertretung, da sie die Propheten verworfen hatten.

Man belehrte sie über den Glauben, die Umkehr von der Sünde, die stellvertretende Taufe zur Sündenvergebung, die Gabe des Heiligen Geistes durch Händeauflegen

sowie alle sonstigen Evangeliumsgrundsätze, die sie kennen lernen mussten, um dadurch die Möglichkeit zu schaffen, dass sie gleichwie die Menschen im Fleische gerichtet, aber gleichwie Gott im Geist leben könnten.“5

Die Grundlegende Lehre Von Der Arbeit Für Die Lebenden

Der Tempel ist eine Stätte der Offenbarung, der Inspiration, des Nachsinnens und des Friedens – eine Stätte, wo man Kraft schöpfen, den Sinn frei machen, Antwort auf sein Beten finden und in den Genuss der Zufriedenheit kommen kann, die Gottesverehrung und Dienen schenken.

Der Herr hat durch den Propheten Joseph Smith offenbart: „Alle Bündnisse, Verträge, Verbindlichkeiten, Verpflichtungen, Eide, Gelöbnisse, Handlungen, Bindungen, Vereinbarungen und Erwartungen, die nicht sowohl für die Zeit als auch für alle Ewigkeit geschlossen und eingegangen und vom Heiligen Geist der Verheißung gesiegelt werden – durch den, der gesalbt ist –, … den ich dazu bestimmt habe, auf Erden diese Macht innezuhaben, … haben bei der Auferstehung von den Toten und danach keinerlei Wirksamkeit, Kraft und Gültigkeit; denn alle Verträge, die nicht zu diesem Zweck geschlossen werden, haben ein Ende, wenn die Menschen tot sind.“6

Wir müssen einander in unseren Ansprachen, in unserem Unterricht und durch unser Beispiel deutlich machen, wie unendlich wertvoll der neue und immerwährende „Bund der Ehe“7ist. Wird ein Paar im Tempel durch das Priestertum gesiegelt, ist eine Familie gegründet worden. Wir freuen uns, wenn ein neuer Zweig, eine neue Gemeinde, ein neuer Pfahl gegründet wird. Wie viel mehr sollten wir uns da freuen, wenn wir eine Grundeinheit der Kirche gründen, eine neue ewige Familie! Es gibt nur eine einzige Stätte, wo das Priestertum diese neue Einheit rechtmäßig gründen kann, und das ist im Haus des Herrn. Wir alle werden schließlich einmal aus unseren Ämtern in der Kirche entlassen, aber nicht aus unserer ewigen Verantwortung für die Familie.

Wie heißt es doch in Lehre und Bündnisse: „Einigen mag es als eine sehr kühne Lehre vorkommen, wenn wir von einer Macht sprechen, die auf Erden aufzeichnet oder bindet und auch im Himmel bindet. Doch ist diese Macht in allen Zeitaltern der Welt gegeben worden, immer wenn der Herr einem Mann oder einer Gruppe von Männern durch tatsächliche Offenbarung das Priestertum zuerkannt hat. Was auch immer solche Männer mit Vollmacht und im Namen des Herrn voll Wahrhaftigkeit und Treue getan haben und worüber sie einen ordnungsgemäßen und getreuen Bericht geführt haben, das ist demnach zu einem Gesetz auf Erden und im Himmel geworden und kann gemäß dem Ratschluss des großen Jehova nicht für ungültig erklärt werden.“8

Die Begabung

Worin bestehen Bedeutung und Wesen der Begabung? Präsident Brigham Young (1801–1877) hat dazu Folgendes gesagt: „Die Begabung bedeutet, dass ihr im Haus des Herrn alle heiligen Handlungen erhaltet, die ihr, nachdem ihr dieses Leben verlassen habt, braucht, um in die Gegenwart des himmlischen Vaters zurückkehren zu können und an den Engeln vorbeizukommen, die Wache stehen [und eure ewige Erhöhung zu erlangen].“9

Der Begriff Begabung sagt schon aus, dass es sich um eine Gabe handelt, um etwas, das für unsere Reise durch die Ewigkeit von Wert ist, wie Präsident Young es erklärt hat. Der Herr segnet uns mit geistiger Kraft und mit Schutz, damit wir das Leben in reicherem Maße genießen können.

Die höchsten Segnungen des Gottesreiches werden uns durch die Gnade Jesu Christi zuteil – sofern wir sein Wort befolgen. Neuzeitliche Offenbarung macht deutlich, dass die Fülle der Gnade Christi denjenigen gegeben wird, die die Gebote halten. Und dazu gehört auch, dass man Bündnisse schließt und hält. „Denn wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr von seiner Fülle empfangen und in mir verherrlicht werden wie ich im Vater; darum sage ich euch: Ihr werdet Gnade um Gnade empfangen.“10Außerdem heißt es in Lehre und Bündnisse: „Gesegnet sind, die das Bündnis halten und das Gebot beachten, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“11

Bündnisse haben vielleicht unter anderem auch deshalb so große Macht, weil sie unser Leben verändern können. Dies gilt in besonderem Maße für heilige Bündnisse und liegt teilweise daran, dass wir, wenn wir ein Bündnis mit Gott schließen, dem himmlischen Vater ein Versprechen geben. Er kennt uns ja am besten und weiß genau, was wir fühlen und denken und welche Absichten wir im Herzen tragen. So werden wir auf einzigartige Weise dazu bewegt, das, was wir versprochen haben, auch zu halten. Dazu kommt noch, dass heilige Bündnisse noch machtvoller sind als reguläre Bündnisse bzw. Versprechen, denn wenn man einen Bund eingeht, der vom Heiligen Geist der Verheißung (dem Heiligen Geist) gesiegelt ist, wird uns die Gnade Gottes zuteil, die uns wiederum hilft, unser Versprechen zu halten.

Der Zweck der Tempelarbeit besteht darin, das Sühnopfer Jesu Christi noch wirksamer werden zu lassen. Und da Bündnisse so gut geeignet sind, um Änderungen zu bewirken, spielen Bündnisse im Tempel eine so wichtige Rolle und sind insbesondere ein wichtiger Bestandteil der Begabung. Denken Sie doch nur daran, wie der Taufbund, das Abendmahl und das Händeauflegen den Erretter und sein Sühnopfer zum Mittelpunkt haben und uns dazu anhalten, uns zu ändern. Auf ähnliche Weise können uns die Bündnisse, die wir bei der Begabung schließen, dazu anhalten, noch größere Veränderungen vorzunehmen und uns ein christusähnlicheres Verhalten anzueignen. Oder anders ausgedrückt: Was verschafft uns Zugang zur Fülle des Sühnopfers, jener zusätzlichen Ausschüttung der Gnade? – Nur Bündnisse, die man wiederum ausschließlich durch heilige Handlungen eingehen kann, die nur mit Hilfe der Schlüssel des Priestertums vollzogen werden können.12Der Prophet Joseph Smith hat gesagt: „Dass man von Neuem geboren wird, geschieht durch Verordnungen mittels des Geistes Gottes.“13

Diese Wahrheiten verdeutlichen uns die geistige Macht der Tempelarbeit und wie wir durch Bündnisse Zugang zu dieser Macht erlangen können. Wenn wir diese Bündnisse danach auch einhalten, werden uns in Zeit und Ewigkeit die verheißenen Segnungen zuteil.

Betrachten wir jetzt einige praktische Beispiele dafür, wie der Tempelbesuch an Wert gewinnen kann.

Massstäbe

Ehrfurcht ist eine unerlässliche Voraussetzung für Offenbarung. Um die verheißene Offenbarung zu empfangen, muss man die Heiligkeit des Hauses des Herrn bewahren. Der Tempel kann einen wichtigen Platz in unserem Leben einnehmen, wenn wir uns ehrfürchtig bereitmachen, ihn zu betreten, und wenn wir die Schönheit, Würde und Feierlichkeit des Tempels in uns tragen, wenn wir ihn wieder verlassen. Diese Ehrfurcht bedeutet auch, dass man sich größter Achtung vor Gott befleißigt. Unsere Worte und teilweise auch unser Verhalten wirken sich auf die Ehrfurcht aus, die wir empfinden, und damit auch auf die geistigen Kund- gebungen, die uns dort zuteil werden.

Wenn es um Heiliges geht, gibt es „eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden“.14Es ist unsere Aufgabe, die Heiligkeit der Begabung im Tempel zu wahren. Wir dürfen außerhalb des Tempels keine Einzelheiten über die Tempelarbeit erörtern. Außerdem müssen wir im Tempel darauf achten, dass wir uns nicht profan ausdrücken. Vulgäres Reden dürfen wir uns schon außerhalb des Tempels nicht zuschulden kommen lassen und ganz sicher nicht im Haus des Herrn. Doch sogar übermäßiges Scherzen und Lachen kann uns davon abhalten, die angemessene Ehrfurcht und Achtung zu spüren.

Würdigkeit

Manche Mitglieder sind so eifrig darauf bedacht, der Segnungen des Tempels teilhaftig zu werden, dass sie schon dann auf einen Tempelschein drängen, wenn sie noch gar nicht vollständig bereit sind. Doch für den Tempel würdig zu werden bedeutet ja in Wirklichkeit, dass man sich bereitmacht, im Tempel das „Wirken des Geistes“ zu verstehen.15Unser Prophet hat uns geraten: „Ich weiß, dass es für einen Bischof schwierig ist, jemandem aus seiner Gemeinde, der sich aufgrund seines Verhaltens im Grenzbereich befindet, den Tempelschein zu verweigern. Das mag den Betreffenden kränken. Dennoch muss er sich bewusst machen: Wenn er nicht wirklich würdig ist, gereicht ihm der Tempelbesuch nicht zum Segen. Vielmehr kommt Verdammnis über jeden, der unwürdig ist und trotzdem die Schwelle des Hauses Gottes überschreitet.“16

Das Garment

Wer die Begabung empfangen hat, muss das Garment auf die rechte Weise tragen. Es ist ein großer Vorzug, das Garment tragen zu dürfen. Man darf das Garment zu Recht als Teil des Tempels betrachten, als Erinnerung an die Bündnisse, die wir im Haus des Herrn geschlossen haben. Wenn wir also das Garment wie vorgesehen tragen, nehmen wir dadurch den Tempel mit in unser tägliches Leben hinaus.

Beherzigen wir die folgende Weisung der Ersten Präsidentschaft dazu, wie das Garment getragen werden soll:

„Wer die Bündnisse des Tempels auf sich genommen hat, genießt das heilige Recht, das Garment zu tragen. Wenn das Garment … entsprechend getragen wird, dient es … als Schutz gegen Versuchungen und das Böse.

Es wird erwartet, dass die Mitglieder das Garment bei Tag und Nacht tragen, wie es den im Tempel gegebenen Anweisungen entspricht. Die Mitglieder sollen das Garment nicht ändern oder es entgegen den Anweisungen tragen, um es der Bekleidungsmode anzupassen, auch wenn solche Kleidung allgemein akzeptiert wird. Zu Aktivitäten, bei denen das Garment durchaus unter der Kleidung getragen werden kann, soll es nicht abgelegt werden.

Wenn jemand Antwort auf eine persönliche Frage in Bezug auf das Tragen des Garments sucht, soll er sich vom Heiligen Geist leiten lassen. Dieses heilige Bündnis besteht zwischen dem Mitglied und dem Herrn, und es ist ein äußeres Zeichen der inneren Verpflichtung, dem Erretter, Jesus Christus, zu folgen.“17

Angemessene Kleidung

Wenn wir uns zum Betreten des Tempels angemessen kleiden, fällt es uns leichter, Weltliches hinter uns zu lassen und uns für die Verordnungen im Haus des Herrn bereitzumachen. Denken Sie über den folgenden Rat von Präsident Boyd K. Packer, dem amtierenden Präsidenten des Kollegiums der Zwölf Apostel, nach. Er hat erklärt, wie man sich vor dem Betreten des Tempels bereitmachen soll: „Es ist dem Herrn angenehm, wenn wir vorher baden und saubere Kleidung anziehen, wie einfach diese auch sein mag. Wir sollen uns so kleiden, dass wir uns in einer Abendmahlsversammlung oder sonst einer gesitteten Zusammenkunft wohl fühlen würden.“18

Wenn wir den Tempel betreten haben, ziehen wir uns um und tragen nun schlichte weiße Kleidung. Der Mann trägt ein langärmeliges weißes Hemd und eine weiße Hose. Die Frau trägt ein langärmeliges, bodenlanges weißes Kleid bzw. eine weiße Bluse und einen langen weißen Rock. Die weiße Tempelkleidung ist ein Symbol für Reinheit – dafür, dass man von seinen Sünden rein ist. Das ist ja auch der Zustand, in dem wir zum himmlischen Vater zurückzukehren hoffen. Das Anlegen weißer Kleidung soll uns auch bewusst machen, dass wir vor Gott alle gleich sind und dass er in unser Herz und in unsere Seele und nicht auf unseren weltlichen Stand schaut.

Eine Braut muss darauf achten, dass das Hochzeitskleid dem Maßstab für ein übliches Tempelkleid entspricht. „Alle Kleider, die im Tempel getragen werden, sollen weiß, langärmelig und in Schnitt und Gewebe schicklich sein, und sie sollen keine aufwändigen Verzierungen haben. Durchscheinender Stoff muss unterfüttert sein. Damenhosen sind im Tempel nicht gestattet. Das Brautkleid darf keine Schleppe haben, außer sie lässt sich für die Tempelzeremonie entfernen.“19

Die Siegelungen

Denken Sie zum Schluss noch einmal über die Macht des Tempels nach, vor allem im Hinblick auf unsere verstorbenen Verwandten. Wer von uns hat noch nicht nachts um einen Bruder, eine Schwester oder einen anderen verstorbenen Verwandten geweint, der das Evangelium hier auf der Erde aus diesem oder jenem Grund nicht vollständig angenommen hatte? Die Siegelung, die im Tempel vollzogen wird, schenkt uns die große Hoffnung darauf, dass wir wieder mit allen unseren Angehörigen vereint sein können. Die Verordnung der Siegelung ermöglicht den Heiligen der Letzten Tage, die ihrem Bund treu bleiben, eine ungeheuer große Segnung. Die folgenden Worte von Präsident Lorenzo Snow (1814–1901), mit denen er diese tiefgründige Verheißung erklärt, geben mir immer wieder aufs Neue große Kraft, machen mir Mut und schenken mir Trost:

„Gott hat erfüllt, was er uns verheißen hat. Herrliche Aussichten stehen uns offen. Ja, im nächsten Leben haben wir … unsere Söhne und Töchter bei uns. Und wenn wir sie nicht alle auf einmal bekommen, dann eben später. … Sind Sie traurig, weil ein Kind vom Weg abgeirrt ist? Sie werden Ihre Söhne und Töchter bekommen! Wenn Sie es schaffen, diese Prüfungen und Bedrängnisse erfolgreich zu bestehen, werden Sie nach der Auferstehung mit der Macht des Priestertums arbeiten, so wie der Sohn Gottes es getan hat, bis Sie alle Ihre Söhne und Töchter auf den Pfad der Erhöhung und der Herrlichkeit geführt haben. Das ist so sicher wie die Tatsache, dass die Sonne heute Morgen über den Bergen hier aufgegangen ist. Seien Sie deshalb nicht traurig, wenn nicht alle Ihre Söhne und Töchter den Pfad beschreiten, den Sie ihnen vorgegeben haben, und wenn sie nicht auf Ihren Rat hören. In demselben Maße, wie es uns gelingt, uns ewige Herrlichkeit zu sichern und als Erretter, König und Priester unseres Gottes dazustehen, werden wir unsere Nachkommen erretten.“20

In den siegelnden Banden des Bundes liegt große Macht. Ich bezeuge, dass die genannten ewigen Wahrheiten und Bündnisse vor der Grundlegung der Welt gegeben wurden und uns zum Segen gereichen, wenn wir unser Herz und unseren Sinn bereitmachen, sie zu empfangen.

„Mit meiner ganzen Überzeugungskraft fordere ich unsere Mitglieder überall auf, würdig zu leben, damit sie einen Tempelschein haben können. Betrachten Sie den Tempelschein als etwas Wertvolles, und unternehmen Sie größere Anstrengungen, um zum Haus des Herrn zu gehen und am Geist und den Segnungen des Tempels teilzuhaben.“ – Präsident Gordon B. Hinckley

Anmerkungen

  1. „Von Missionen, Tempeln und Treuhandschaft“, Der Stern, Januar 1996, Seite 51.

  2. History of the Church 4:426.

  3. Lukas 9:24.

  4. LuB 128:5,15; siehe auch Hebräer 11:40.

  5. LuB 138:32–34; siehe auch 1 Petrus 4:6.

  6. LuB 132:7.

  7. LuB 131:2.

  8. LuB 128:9.

  9. Lehren der Präsidenten der Kirche: Brigham Young, Seite 302.

  10. LuB 93:20.

  11. LuB 54:6; siehe auch Moroni 10:33.

  12. Siehe 3. bis 5. Glaubensartikel.

  13. Lehren des Propheten Joseph Smith, Seite 164.

  14. Kohelet 3:7.

  15. Siehe 1 Korinther 2:11–16.

  16. Gordon B. Hinckley, „Keeping the Temple Holy“, Ensign, Mai 1990, Seite 52.

  17. Brief von der Ersten Präsidentschaft, 5. November 1996.

  18. Der heilige Tempel (1984), Seite 17.

  19. Das Brautkleid, Handbuch Anweisungen der Kirche, Buch 1, Pfahlpräsidentschaft und Bischofschaft, Seite 71.

  20. In Millennial Star, 22. Januar 1894, Seite 51f.; siehe auch Boyd K. Packer, „Our Moral Environment“, Ensign, Mai 1992, Seite 68.