Generalkonferenz
Bündnisse und Pflichten
Frühjahrs-Generalkonferenz 2024


Bündnisse und Pflichten

Die Kirche Jesu Christi ist als Kirche bekannt, in der Bündnisse mit Gott einen hohen Stellenwert einnehmen

„Worin unterscheidet sich Ihre Kirche von anderen?“ Meine Antwort auf diese bedeutsame Frage hat sich im Laufe meiner Lebensjahre und mit dem Wachstum der Kirche geändert. Als ich 1932 in Utah zur Welt kam, belief sich die Mitgliederzahl auf nur 700.000 – verteilt vor allem auf Utah und die benachbarten Bundesstaaten. Damals gab es lediglich sieben Tempel. Heute beläuft sich die Zahl der Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf mehr als 17 Millionen – verteilt auf etwa 170 Nationen. Seit dem 1. April haben wir insgesamt 189 geweihte Tempel in vielerlei Ländern, und weitere 146 befinden sich in der Planung oder im Bau. Ich hatte den Eindruck, ich solle über den Zweck dieser Tempel sprechen und einen Einblick in die Geschichte von Bündnissen und deren Rolle in unserer Gottesverehrung geben. Dies wird die inspirierten Worte vorhergehender Redner ergänzen.

I.

Ein Bündnis ist die Verpflichtung, bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Solch eine Selbstverpflichtung ist wesentlich sowohl bei der individuellen Lebensführung als auch für das Funktionieren der Gesellschaft. Diese Ansicht wird heutzutage allerdings in Frage gestellt. Eine lautstarke Minderheit spricht sich gegen Befugnisse von Institutionen aus und drängt darauf, jeder solle frei sein von sämtlichen Beschränkungen seiner individuellen Freiheit. Wir wissen jedoch aus jahrtausendelanger Erfahrung, dass Menschen individuelle Freiheiten aufgeben, um dafür die Vorteile zu genießen, in einer organisierten Gemeinschaft zu leben. Solcher Verzicht auf individuelle Freiheiten basiert im Grunde genommen auf Verpflichtungen oder Bündnissen, die klar dargelegt oder als selbstverständlich vorausgesetzt werden.

Bild
Militärangehörige
Bild
Medizinisches Personal
Bild
Feuerwehrleute
Bild
Vollzeitmissionare

Durch ein Bündnis eingegangene Pflichten gibt es in unserer Gesellschaft etwa bei 1.) Richtern, 2.) Militärangehörigen, 3.) medizinischem Personal oder 4.) Feuerwehrleuten. Alle in diesen uns gut bekannten Berufen nehmen – häufig durch einen Eid oder Bund formell besiegelt – die Verpflichtung auf sich, die ihnen übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Das gilt auch für unsere Vollzeitmissionare. Die charakteristische Kleidung oder das Namensschild sollen darauf aufmerksam machen, dass der Träger einem Bund verpflichtet ist und daher die Aufgabe hat, zu lehren und zu dienen, und in diesem Dienst unterstützt werden sollte. Zudem wird der Träger selbst an seine Bündnispflichten erinnert. Der charakteristischen Kleidung oder dem Symbol an sich wohnt keinerlei Zauberkraft inne. Sie sind bloß eine notwendige Erinnerung an die außergewöhnlichen Pflichten, die der Träger auf sich genommen hat. Dies gilt auch für Symbole wie etwa einen Verlobungs- oder Ehering, der ja den Betrachter darauf hinweisen – oder den Träger daran erinnern – soll, dass Bündnispflichten eingegangen wurden.

Bild
Eheringe

II.

Wenn ich eingangs festgestellt habe, dass Bündnisse die Basis der individuellen Lebensführung sind, so gilt dies insbesondere für Bündnisse religiöser Natur. Bündnisse bilden die Grundlage und sind Teil der Geschichte vieler Religionsgemeinschaften und ihrer Regeln. So bauen mehrere große Religionen ihr Bestehen auf dem Bund mit Abraham auf. Dieser Bund führt das heilige Konzept von Gottes Bundesverheißungen an seine Kinder ein. Im Alten Testament wird häufig auf Gottes Bund mit Abraham und dessen Nachkommen hingewiesen.1

Im ersten Teil des Buches Mormon, der ja zur Zeit des Alten Testaments verfasst wurde, wird die Rolle von Bündnissen in der Geschichte und Gottesverehrung der Israeliten klar aufgezeigt. Nephi wurde gesagt, dass die israelitischen Aufzeichnungen jener Zeit „ein Bericht der Juden“ seien, der „die Bündnisse des Herrn [enthält], die er für das Haus Israel gemacht hat“2. In den Büchern Nephi ist immer wieder die Rede vom Bund mit Abraham,3 und Israel wird als „Bundesvolk des Herrn“4 bezeichnet. Die Gepflogenheit, mit Gott oder einem religiösen Führer einen Bund einzugehen, findet sich im Buch Mormon bei Schriften über Nephi, Josef aus Ägypten, König Benjamin, Alma und Hauptmann Moroni.5

III.

Als die Zeit für die Wiederherstellung der Fülle des Evangeliums Jesu Christi gekommen war, berief Gott einen Propheten, nämlich Joseph Smith. Wir kennen nicht in vollem Umfang die ersten Belehrungen, die der Engel Moroni dem heranreifenden jungen Propheten erteilt hat. Wir wissen jedoch, dass er Joseph mitteilte, „Gott habe eine Arbeit für [ihn] zu tun“ und „die Fülle des immerwährenden Evangeliums“ müsse hervorgebracht werden, darunter auch „die Verheißungen, die den Vätern gemacht worden“ seien.6 Wir wissen zudem, dass unter den Schriftstellen, mit denen sich der junge Joseph eingehend befasst hat – selbst noch vor seinem Auftrag, eine Kirche zu gründen –, auch viele Lehren in Bezug auf Bündnisse waren, die er damals gerade im Buch Mormon übersetzte. Dieses Buch ist in der Wiederherstellung die wichtigste Quelle für die Fülle des Evangeliums, wozu auch Gottes Plan für seine Kinder gehört, und das Buch Mormon steckt voller Hinweise auf Bündnisse.

Da sich Joseph in der Bibel gut auskannte, muss ihm die Stelle im Hebräerbrief vertraut gewesen sein, wo von der Absicht des Erretters die Rede ist, „mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund [zu] schließen“7. Im Hebräerbrief wird Jesus auch als „Mittler eines neuen Bundes“8 bezeichnet. Der biblische Bericht über das irdische Wirken des Erretters wird bezeichnenderweise „Neues Testament“ genannt, was so viel wie „Neuer Bund“ bedeutet.

Bei der Wiederherstellung des Evangeliums spielten Bündnisse eine grundlegende Rolle. Dies zeigt sich schon an den ersten Schritten, die der Prophet auf göttliche Weisung zur Gründung der Kirche des Herrn unternehmen sollte. Sobald das Buch Mormon herausgegeben war, ordnete der Herr die Gründung seiner wiederhergestellten Kirche an, die bald darauf den Namen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage erhalten sollte.9 In einer im April 1830 aufgezeichneten Offenbarung wird angeordnet, dass Menschen „durch die Taufe in seine Kirche aufgenommen werden“ sollen, nachdem sie bezeugt (also feierlich bestätigt) haben, „dass sie wahrhaftig von all ihren Sünden umgekehrt sind und willens sind, den Namen Jesu Christi auf sich zu nehmen, mit der Entschlossenheit, ihm bis ans Ende zu dienen“10.

In derselben Offenbarung wird angeordnet, dass die Kirche „sich oft versammelt, um zum Gedächtnis des Herrn Jesus Brot und Wein [Wasser] zu sich zu nehmen“. Welchen Stellenwert diese heilige Handlung hat, zeigt sich an dem festgesetzten Wortlaut der Bündnisse, an den sich der amtierende Älteste oder Priester hält. Er segnet die Sinnbilder des Brotes „für die Seele all derer, die davon nehmen, … damit sie … dir, o Gott, ewiger Vater, bezeugen, dass sie willens sind, den Namen deines Sohnes auf sich zu nehmen und immer an ihn zu denken und seine Gebote, die er ihnen gegeben hat, zu halten“11.

Die wesentliche Rolle von Bündnissen in der gerade erst wiederhergestellten Kirche wurde auch in dem Geleitwort, das der Herr zur Erstveröffentlichung seiner Offenbarungen kundtat, erneut bekräftigt. Dort erklärt der Heiland, er habe Joseph Smith berufen, denn die Bewohner der Erde „sind von meinen Verordnungen abgewichen und haben meinen immerwährenden Bund gebrochen“12. In dieser Offenbarung wird ferner dargelegt, dass seine Gebote gegeben werden, „damit mein immerwährender Bund aufgerichtet werde“13.

Heute wissen wir, welche Rolle Bündnisse in der wiederhergestellten Kirche und der Gottesverehrung ihrer Mitglieder spielen. Präsident Gordon B. Hinckley hat die Auswirkung unserer Taufe und unserer wöchentlichen Teilnahme am Abendmahl so zusammengefasst: „Jedes Mitglied der Kirche, das ins Taufwasser gestiegen ist, hat damit einen heiligen Bund geschlossen. Jedes Mal, wenn wir [vom] Abendmahl des Herrn nehmen, erneuern wir diesen Bund.“14

Viele Redner bei dieser Konferenz haben uns daran erinnert, dass Präsident Russell M. Nelson häufig vom Erlösungsplan als dem Weg der Bündnisse spricht, der uns zu Gott zurückführt und „auf dem … es einzig und allein um unsere Beziehung zu Gott“ geht.15 Er betont die Bedeutung der Bündnisse in den Tempelzeremonien und legt uns ans Herz, von Anfang an das Ende vor Augen zu haben und celestial zu denken.16

IV.

Ich gehe nun noch weiter auf die Tempelbündnisse ein. Um seiner Pflicht nachzukommen, die Fülle des Evangeliums Jesu Christi wiederherzustellen, verbrachte der Prophet Joseph Smith in seinen letzten Lebensjahren viel Zeit mit Anordnungen zum Bau des Tempels in Nauvoo in Illinois. Durch den Propheten offenbarte der Herr die Lehre, heilige Grundsätze und Bündnisse, die seine Nachfolger in den Tempeln darlegen und ausführen sollten. Die Menschen sollten dort das Endowment empfangen, Gottes Erlösungsplan vermittelt bekommen und heilige Bündnisse schließen können. Wenn sie treu nach diesen Bündnissen lebten, wurde ihnen ewiges Leben verheißen, was umfasst, dass „ihnen alles“ gehört und sie „für immer und immer in der Gegenwart Gottes und seines Christus wohnen“17 werden.

Die Endowment-Zeremonien im Nauvoo-Tempel wurden kurz vor der Vertreibung vollzogen, bevor sich also unsere Pioniere aus den Anfangstagen der Kirche auf den historischen Zug hin in die Bergwelt im Westen der Vereinigten Staaten machten. Von vielen Pionieren sind uns Zeugnisse überliefert, wie ihnen, weil sie durch das Endowment im Nauvoo-Tempel mit Christus verbunden waren, die Kraft geschenkt wurde, den epochalen Auszug und die Ansiedlung im Westen zu bewerkstelligen.18

Wer in einem Tempel das Endowment empfangen hat, ist verpflichtet, das Garment zu tragen – ein Kleidungsstück, das nicht nach außen hin zu sehen ist, da es unterhalb der Alltagskleidung getragen wird. Es erinnert die Mitglieder, die das Endowment empfangen haben, an die heiligen Bündnisse, die sie geschlossen haben, sowie an die Segnungen, die ihnen im heiligen Tempel verheißen wurden. Damit das Garment diesem heiligen Zwecken gerecht werden kann, sind wir angewiesen, es durchgehend zu tragen – es gibt dabei nur einige offensichtlich notwendige Ausnahmen. Da sich Bündnisse ja keine bündnisfreien Tage erlauben, kann das Ablegen des Garments als Verzicht auf die Pflichten und Segnungen der Bündnisse verstanden werden, die damit einhergehen. Wer hingegen treu sein Garment trägt und seine Tempelbündnisse hält, bestätigt damit beständig, dass er dem Herrn Jesus Christus nachfolgt.

Bild
Karte mit den Tempeln

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage baut Tempel in aller Welt. Sie dienen dem Zweck, dass die Bundeskinder Gottes in den Genuss der Gottesverehrung im Tempel kommen und ihnen jene heiligen Pflichten und Mächte und einzigartigen Segnungen durch die Verbundenheit mit Christus gewährt werden, die sie durch einen Bund auf sich nehmen.

Bild
São-Paulo-Tempel in Brasilien

Die Kirche Jesu Christi ist als Kirche bekannt, in der Bündnisse mit Gott einen hohen Stellenwert einnehmen. Bündnisse gehören zu jeder der heiligen Handlungen zur Errettung und Erhöhung, die in der wiederhergestellten Kirche vollzogen werden. Die Taufe und die damit einhergehenden Bündnisse sind Voraussetzungen, um ins celestiale Reich einzugehen. Die heiligen Handlungen im Tempel und die damit einhergehenden Bündnisse sind Voraussetzungen für die Erhöhung im celestialen Reich, was gleichbedeutend ist mit ewigem Leben, der größten aller Gaben Gottes.19 Darauf richtet die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage den Blick.

Ich gebe Zeugnis für Jesus Christus, der das Oberhaupt dieser Kirche ist, und rufe seine Segnungen auf all jene herab, die bestrebt sind, ihre heiligen Bündnisse zu halten. Im Namen Jesu Christi. Amen.