Geschichte der Kirche
Kanada


„Kanada“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Kanada“

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Schon bevor die ersten fertigen Exemplare des Buches Mormon veröffentlicht wurden, erhielt die Familie Smith in der Nähe von Palmyra in New York Besuch von einem Wanderprediger namens Solomon Chamberlin, der Gerüchte vom Buch Mormon gehört hatte. Hyrum Smith brachte Chamberlin in die Druckerei, wo das Buch Mormon gedruckt wurde, und bald darauf brach dieser mit 64 Seiten des Buches Mormon ins obere Kanada auf (dem heutigen Ontario) und verkündete dort „alles, was [er] in Bezug auf den Mormonismus wusste“1. Chamberlins Auftreten in Kanada war, soweit man weiß, das erste Mal überhaupt, dass jemand aus dem Buch Mormon predigte. Im Laufe des nächsten Jahrzehnts reisten viele Heilige der Letzten Tage, darunter Joseph Smith, seine Mutter Lucy, Oliver Cowdery und sechs der ersten zwölf Apostel, nach Kanada. Dort predigten sie und kümmerten sich um die Angelegenheiten der Kirche.2

Als Parley P. Pratt 1836 in der Nähe von Toronto predigte, stieß er auf eine kleine christliche Gruppierung. Sie war auf der Suche nach einer Kirche mit der „urtümlichen Schlichtheit“, wie sie in der Heiligen Schrift zu finden war.3 Bald schon ließen sich viele aus dieser Gruppierung taufen, darunter John und Leonora Taylor sowie Joseph, Mary und Mercy Fielding. Daraufhin gründete Pratt dort im Gebiet etliche kleine Zweige.4 Als die Apostel Heber C. Kimball und Orson Hyde ein Jahr später begannen, in England zu predigen, stießen auch Joseph Fielding, John Goodson, Isaac Russell und John Snyder hinzu, die Pratt auf seiner Mission in Kanada bekehrt hatte.5

Ab 1847 zogen viele der über 2.000 Kanadier, die sich der Kirche angeschlossen hatten, mit der Hauptgruppe der Heiligen in den Westen der Vereinigten Staaten.6 1887 führte Charles Ora Card, ein Pfahlpräsident aus Cache Valley in Utah, eine kleine Gruppe Heiliger nach Lee Creek (später Cardston) in Alberta, wo sie sich niederließen.7 Viele der ersten Siedler im südlichen Alberta, darunter auch Card und seine Frau Zina Young Card, lebten polygam. Als der Kongress der Vereinigten Staaten 1882 den Edmunds Act verabschiedete, riskierten diese Heiligen der Letzten Tage Bußgelder und Gefängnisstrafen, weil sie weiterhin polygam lebten. Daher entschlossen sich einige von ihnen, nach Mexiko oder Kanada auszuwandern. Alberta bot ihnen sowohl wirtschaftliche Chancen als auch einen sicheren Hafen vor den Gesetzen der Vereinigten Staaten gegen die Polygamie, wenngleich man die Männer, die die Mehrehe praktizierten, dazu anhielt, nur eine Frau nach Kanada mitzunehmen.8

Bild
Weihung des Cardston-Alberta-Tempels in Kanada

Foto aufgenommen am 26. August 1923 bei der Weihung des Cardston-Alberta-Tempels in Kanada.

Im Laufe der nächsten drei Jahrzehnte wanderten die Heiligen der Letzten Tage in großer Zahl ins südliche Alberta aus. 1895 wurde der Pfahl Cardston in Alberta gegründet, der erste Pfahl außerhalb der Vereinigten Staaten, und 1923 wurde in Cardston der erste Tempel außerhalb der Vereinigten Staaten gebaut. Zu diesem Zeitpunkt lebten bereits über 9.500 Mitglieder der Kirche in den etwa 20 Ortschaften, die die Mormonen in Alberta gegründet hatten.9 Bis Ende der 70er hatte man in jedem Territorium und in jeder Provinz Kanadas Pfähle und Missionen gegründet.10 Etliche Kanadier sind als Generalautoritäten und führende Amtsträger der Kirche tätig gewesen, darunter Hugh B. Brown und N. Eldon Tanner in der Ersten Präsidentschaft und Elaine L. Jack als Präsidentin der Frauenhilfsvereinigung. Inzwischen wohnen über 195.000 Mitglieder der Kirche in Kanada, und weitere Tempel wurden oder werden in Toronto, Halifax, Regina, Edmonton, Montreal, Vancouver, Calgary und Winnipeg erbaut (Stand 2018).11

Anmerkungen

  1. Solomon Chamberlin autobiography, Seite 10, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City; siehe auch Larry C. Porter, „Solomon Chamberlain – Early Missionary“, BYU Studies, Band 12, Nr. 3, 1972, Seite 314–318

  2. Siehe historische Einleitung zu „Revelation, circa Early 1830“, josephsmithpapers.org; Stephen K. Ehat, „,Securing‘ the Prophetʼs Copyright in the Book of Mormon: Historical and Legal Context for the So-called Canadian Copyright Revelations“, BYU Studies, Band 50, Nr. 2, 2011, Seite 4–70; Eric Smith, „A Mission to Canada: D&C 100“, in: Matthew McBride und James Goldberg, Hg., Revelations in Context: The Stories behind the Sections of the Doctrine and Covenants, Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, Salt Lake City 2016, Seite 202–207; siehe auch Thema: Druck und Veröffentlichung des Buches Mormon. Näheres zur anfänglichen Missionsarbeit der Kirche in Kanada siehe Carma T. Prete, „Eastern Canada: An Early Fruitful Field, 1829–77”, in: Roy A. Prete und Carma T. Prete, Hg., Canadian Mormons: History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints in Canada, Religious Studies Center, Brigham-Young-Universität, Provo/UT 2017, Seite 23–38.

  3. John Taylor, „History of John Taylor by Himself“, Seite 7, Historianʼs Office Histories of the Twelve, 1856–1861, Historisches Archiv der Kirche, Salt Lake City

  4. John Taylor, „History of John Taylor by Himself“, Seite 10, 12

  5. John Taylor, „History of John Taylor by Himself“, Seite 11; Orson F. Whitney, Life of Heber C. Kimball, an Apostle; the Father and Founder of the British Mission, Kimball Family, Salt Lake City 1888, Seite 123

  6. Siehe Roy A. Prete, „Rise and Progress of the Church in Canada“, in: Prete und Prete, Canadian Mormons, Seite 1–22

  7. 1886 und 1887 führte Card Gruppen an, die das südliche Alberta erkundeten. Nachdem sie das Gebiet um den St. Mary River ausgekundschaftet hatten, stimmten sie einstimmig dafür, ihre Siedlung an einem Nebenfluss zu gründen, dem Lee Creek. Donald G. Godfrey und Brigham Y. Card, Hg., The Diaries of Charles Ora Card, University of Utah Press, Salt Lake City 1993, Seite 52, 54f.; siehe auch Rebecca J. Doig und W. Jack Stone, „The Alberta Settlement“, in: Prete und Prete, Canadian Mormons, Seite 60–63.

  8. Siehe „Das Manifest und das Ende der Mehrehe“, Evangeliumsthemen, lds.org/topics

  9. Wie viele Siedlungen tatsächlich von den Heiligen der Letzten Tage im südlichen Alberta vollständig oder teilweise gegründet wurden, ist umstritten; siehe Lynn A. Rosenvall, „The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints in Alberta: A Historical and Geographical Perspective“, in: Dennis A. Wright, Robert C. Freeman, Andrew H. Hedges und Matthew O. Richardson, Hg., Regional Studies in LDS Church History: Western Canada, Department of Church History and Doctrine, Brigham-Young-Universität, Provo/UT 2000, Seite 1–12; Brigham Y. Card, „Charles Ora Card and the Founding of the Mormon Settlements in Southwestern Alberta, North-West Territories“, in: Brigham Y. Card, Herbert C. Northcott, John E. Foster, Howard Palmer und George K. Jarvis, Hg., The Mormon Presence in Canada, Utah State University Press, Logan 1990, Seite 77–107; Doig and Stone, „The Alberta Settlement“, Seite 55–99

  10. Daniel H. Olsen, Brandon S. Plewe und Jonathan A. Jarvis, „Historical Geography: Growth, Distribution, and Ethnicity“, in: Prete und Prete, Canadian Mormons, Seite 108–113

  11. „Facts and Statistics: Canada“, Mormon Newsroom, mormonnewsroom.org