Geschichte der Kirche
Genossenschaftsbewegung


„Genossenschaftsbewegung“, Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche

„Genossenschaftsbewegung“

Genossenschaftsbewegung

Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts richteten Betriebe mit Sitz im Osten der Vereinigten Staaten ihren Blick auf die wachsenden Absatzmärkte im Westen. Brigham Young und weitere Führer der Kirche befürchteten, Bankiers und Händler würden Utahs Wirtschaft ausnutzen, den Markt im Grenzgebiet mit importierten Produkten überschwemmen und somit Preise in die Höhe treiben und Hersteller vor Ort gefährden.

Brigham Young hatte angestrebt, die wirtschaftliche Basis in Utah auf die offenbarten Grundsätze Weihung und Treuhandschaft zu legen sowie auf die Bündnisverpflichtung der Mitglieder, einander zu helfen.1 Er war der Ansicht, dass diese Grundsätze die moralische Grundlage für Tauschgeschäfte und Erwerbstätigkeit bildeten, und er stand dem Gewinnstreben skeptisch gegenüber, da es häufig dazu führte, dass sich einige wenige bereicherten. Er sah voraus, dass das rasant wachsende Eisenbahnnetz weitere auswärtige Unternehmen in die Siedlungen bringen würde, und hielt die Heiligen 1865 dazu an, nur mit Mitgliedern der Kirche Geschäfte zu machen. Er hoffte, dies würde sicherstellen, dass sich die Wirtschaft vor Ort selbst trug und den Bedürfnissen der Armen gerecht wurde.

Die Nachfrage nach importierten Gütern hielt jedoch an und Kaufleute, die nicht der Kirche angehörten, florierten. 1867 kam die Schule der Propheten erneut zusammen, um sich über andere Wege in der Wirtschaftspolitik Gedanken zu machen.2 Die Schule arbeitete einen Plan aus: Die Heiligen sollten Alleinvertriebsvereinbarungen zwischen Herstellern und Kaufleuten treffen. Ein solches Genossenschaftssystem, so dachten sie, könne die Wirtschaft vor Ort vor dem Übergriff durch auswärtige Geschäftsleute bewahren und die Ungleichheit zwischen den Mitgliedern der Kirche gering halten.3

1868 gründeten Brigham Young und weitere Unternehmer vor Ort in Salt Lake City die Handelsgenossenschaft Zion’s Cooperative Mercantile Institution (ZCMI). Das Warenhaus verkaufte Mitgliedern der Kirche nicht nur Kleidung und Haushaltswaren, sondern belieferte auch weitere genossenschaftliche Einrichtungen mit Großhandelswaren. Das Netzwerk erweiterte sich auf mehrere Großhändler und hunderte kleinere Geschäfte in den Siedlungen der Heiligen der Letzten Tage. Einige Geschäftsleute kritisierten den anfänglichen Erfolg der Genossenschaftsläden. Sie warfen Brigham Young vor, er setze durch religiöse Regulierung den freien Markt außer Kraft.4 Nichtsdestotrotz wollte man in einigen Siedlungen der Heiligen der Letzten Tage eine noch stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit erreichen. Man bildete in den 70er Jahren „Vereinigte Ordnungen“, die sich auf gemeinsame Weihung, Herstellung vor Ort und Abschottung von größeren Märkten gründeten.5

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Die Hauptstraße in Salt Lake City

Handels- und Genossenschaftseinrichtungen an der Hauptstraße in Salt Lake City

Das Genossenschaftsnetzwerk der 70er Jahre schrumpfte unter dem Druck der Gesetze gegen die Polygamie in den 80er Jahren und einer Wirtschaftskrise in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts.6 Die Führer der Kirche erhielten viele frühere genossenschaftliche Unternehmen als Einzelunternehmen aufrecht. Das bekannteste davon ist das Handelsunternehmen ZCMI. Anfang des 20. Jahrhunderts gaben dieselben Grundsätze der Sorge für die Armen, die zur Genossenschaftsbewegung geführt hatten, den Anstoß für ein erfolgreiches Wohlfahrtsprogramm. Bis 1999 hielt die Kirche einen Mehrheitsanteil an dem Handelsunternehmen ZCMI, dann wurde es an eine andere Kaufhauskette verkauft.

Verwandte Themen: Vereinigte Ordnung, Vereinigte Firma („Vereinigte Ordnung“), Weihung und Treuhandschaft, Schule der Propheten, Siedlungen der Pioniere

Anmerkungen

  1. Siehe Thema: Weihung und Treuhandschaft

  2. Siehe Thema: Schule der Propheten

  3. Auch in anderen Bundesstaaten und Territorien gab es Bauerngenossenschaften und -gemeinschaften, die sich aufgrund gleicher Überlegungen auf ein ähnliches Modell gründeten wie das Genossenschaftsnetzwerk in Utah. Siehe Thomas A. Woods, Knights of the Plow: Oliver H. Kelley and the Origins of the Grange in Republican Ideology, Iowa State University Press, Ames 1991.

  4. Siehe Thema: Godbeiten

  5. Siehe Thema: Vereinigte Ordnung

  6. Siehe Thema: Gesetze gegen die Polygamie