Generalkonferenz
Die Macht Jesu Christi in unserem täglichen Leben
Herbst-Generalkonferenz 2023


Die Macht Jesu Christi in unserem täglichen Leben

Der Glaube an Jesus Christus ist unsere Kraftquelle, wenn wir uns an jedem neuen Tag bewusst bemühen, zu Christus zu kommen

Liebe Brüder und Schwestern, dies ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Welch eine Freude es ist, als seine Kirche versammelt zu sein! Ich bin dankbar, dass Präsident Russell M. Nelson uns daran erinnert hat, den richtigen Namen der Kirche des Herrn häufig zu nutzen, sodass wir daran denken, wessen Kirche es ist und wessen Lehren wir folgen.

Präsident Nelson hat auch gesagt: „Die Tage werden kommen, da sich die Macht des Erretters in einer Großartigkeit kundtun wird, wie es die Welt noch nie gesehen hat. … Der Erretter [wird] den Glaubenstreuen unzählige Vorzüge, Segnungen und Wunder erweisen.“1

Für mich und meine Frau Renee ist es einer der größten Vorzüge, dass wir dort, wo wir dienen, mit den Heiligen zusammenkommen dürfen. Wir hören ihre Geschichten, sind Zeugen ihrer Verluste, trauern mit ihnen und freuen uns über ihre Erfolge. Wir sind Zeugen für die vielen Segnungen und Wunder, die der Erretter den Glaubenstreuen erweist. Wir sind Menschen begegnet, die Unmögliches durchstehen und Undenkbares erleiden.

Bild
Präsident José Batalla und seine Frau, Sister Valeria Batalla
Bild
Flavia Cruzado und ihr Vater

Wir haben gesehen, wie sich die Macht des Erretters in einer Witwe kundtut, die ihren Mann verloren hat, als sie im Auftrag des Herrn in Bolivien waren.2 Wir haben sie in einer jungen Frau in Argentinien gesehen, die unter einen Zug geriet und ein Bein verlor, nur weil jemand ihr Handy stehlen wollte.3 Auch in ihrem alleinerziehenden Vater, der nun die Scherben aufsammeln und seiner Tochter nach dieser unfassbar grausamen Tat Halt geben muss. Wir haben sie bei den Familien gesehen, die bei den Waldbränden in Chile nur zwei Tage vor Weihnachten 2022 ihr Haus und all ihr Gut verloren haben.4 Wir haben sie in Menschen gesehen, die eine traumatische Scheidung erlebt haben oder Opfer von Missbrauch geworden sind.

Bild
Zerstörte Häuser nach Bränden in Chile

Was gibt diesen Menschen die Kraft, so harte Erfahrungen durchzustehen? Was gibt ihnen die zusätzliche Stärke, weiterzumachen, wenn alles verloren scheint?

Ich habe festgestellt, dass der Glaube an Jesus Christus die Quelle dieser Kraft ist, wenn wir uns an jedem neuen Tag bewusst bemühen, zu Christus zu kommen.

Der Prophet Jakob verkündete: „Und er kommt in die Welt, auf dass er alle Menschen errette, wenn sie auf seine Stimme hören werden; denn siehe, er erleidet die Schmerzen aller Menschen, ja, die Schmerzen jedes lebenden Geschöpfes, sowohl der Männer als auch der Frauen und Kinder, die der Familie Adams angehören.“5

Manchmal mag uns Glaube an Jesus Christus unmöglich erscheinen, fast unerreichbar. Wir meinen vielleicht, wir bräuchten, um zu Christus zu kommen, eine Stärke, Kraft und Vollkommenheit, die wir nicht besitzen, und wir bringen einfach nicht die Energie auf, alles zu schaffen. Doch von all diesen Menschen habe ich gelernt, dass uns gerade der Glaube an Jesus Christus die Energie gibt, uns auf den Weg zu machen. Manchmal denken wir vielleicht: „Ich muss mein Leben in Ordnung bringen, bevor ich zu Jesus komme.“ Tatsächlich aber kommen wir zu Jesus, um unser Leben durch ihn in Ordnung zu bringen.

Wir kommen nicht zu Jesus, weil wir vollkommen sind. Wir kommen zu ihm, weil wir Fehler machen und „in ihm vollkommen“6 werden können.

Wie fangen wir damit an, jeden Tag ein wenig Glauben auszuüben? Für mich beginnt es früh am Morgen: Wenn ich aufwache, schaue ich nicht auf mein Handy, sondern spreche ein Gebet. Auch wenn es nur ein einfaches Gebet ist. Dann lese ich eine Schriftstelle. Dies hilft mir bei meinem wöchentlichen Bündnis, das ich eingehe, wenn ich vom Abendmahl nehme, nämlich „immer an ihn [zu] denken“7. Wenn ich meinen Tag mit einem Gebet und einer Schriftstelle beginne, kann ich „an ihn denken“, wenn ich dann auf mein Handy schaue. Ich kann „an ihn denken“, wenn Probleme und Konflikte auftauchen und ich versuche, ihnen so zu begegnen, wie Jesus es tun würde.

Wenn ich „an ihn denke“, verspüre ich den Wunsch, mich zu ändern, umzukehren. Ich finde die Quelle der Energie, um meine Bündnisse zu halten, und ich spüre den Einfluss des Heiligen Geistes und halte „seine Gebote, die er [mir] gegeben hat, … damit sein Geist immer mit [mir] sei“8. Es hilft mir, bis ans Ende auszuharren.9 Oder zumindest bis zum Ende des Tages! Und an den Tagen, an denen ich den ganzen Tag nicht an ihn denke, ist er dennoch da; er liebt mich und sagt mir: „Es ist in Ordnung. Du kannst es morgen wieder versuchen.“

Auch wenn wir es nicht schaffen, an ihn zu denken, so vergisst unser liebevoller Vater im Himmel uns nie.

Wir meinen oft fälschlicherweise, dass das Halten von Bündnissen, also die Versprechen, die wir Gott geben, einer Art Handel mit ihm gleicht: Ich gehorche und dafür beschützt er mich vor allem Schlechten, was mir je widerfahren kann. Ich zahle den Zehnten und werde nie meine Arbeit verlieren und mein Haus wird nicht in Flammen aufgehen. Wenn es aber dann nicht so läuft, wie wir es erwarten, schreien wir zum Herrn: „Kümmert es dich nicht, dass ich zugrunde gehe?“10

Es geht bei unseren Bündnissen aber nicht um einen Handel, sondern um Wandlung.11 Durch meine Bündnisse empfange ich die heiligende, stärkende Macht Jesu Christi, die es mir ermöglicht, ein neuer Mensch zu werden, das scheinbar Unverzeihliche zu verzeihen, das Unmögliche zu überwinden. Bewusst immer an Jesus Christus zu denken, ist wirkungsvoll; es verleiht mir zusätzliche Kraft, „seine Gebote, die er [mir] gegeben hat, zu halten“12. Es hilft mir, netter zu sein, ohne Grund zu lächeln, ein Friedensstifter zu sein,13 Konflikte zu vermeiden und Gott in meinem Leben siegen zu lassen14.

Wenn unser Schmerz oder der Schmerz eines geliebten Menschen so groß ist, dass wir ihn nicht ertragen können, können wir an Jesus Christus denken und zu ihm kommen. Dann wird die Last leichter, unser Herz wird erweicht und der Schmerz gelindert. Dies ist die Macht, die einen Vater über seine natürliche Kraft hinaus befähigt, seiner Tochter, die ein Bein verloren hat, in all ihrem körperlichen und seelischen Schmerz beizustehen.

Bild
Flavia Cruzado mit Elder Ulisses Soares

Als Elder Soares letzten Juni Argentinien besuchte und Flavia nach ihrem tragischen Unfall fragte, antwortete sie voll Glauben: „Ich war innerlich in Aufruhr und empfand Bitterkeit, Wut und Hass, als [es geschah]. Aber eines hat mir geholfen, nämlich nicht: ‚Warum ich?‘ zu fragen, sondern: ‚Wozu ist es gut?‘ … Das hat mich anderen Menschen und dem Herrn nähergebracht. … Anstatt mich von ihm zu entfernen, musste ich mich an ihm festhalten.“15

Präsident Nelson hat gesagt: „Der Lohn dafür, dass wir unsere Bündnisse mit Gott halten, ist Macht vom Himmel – Macht, die uns die Kraft gibt, Prüfungen, Versuchungen und Kummer besser auszuhalten. … Wer eingegangene Bündnisse hält, hat daher ein Anrecht auf eine besondere Art der Ruhe.“16 Dies ist die Art Ruhe und Frieden, die ich in den Augen der Witwe gesehen habe, obwohl sie ihren Mann jeden Tag schmerzlich vermisst.

Bild
Sturm auf dem See Gennesaret

Im Neuen Testament lesen wir von einer Begebenheit, als Jesus sich mit seinen Jüngern auf einem Boot befand:

„Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot …

Er aber lag … auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?

Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! …

Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“17

Diese Geschichte hat mich schon immer fasziniert. Hatte der Herr erwartet, dass sie kraft ihres Glaubens den Sturm besänftigen? Hätten sie dem Wind drohen sollen? Glaube an Jesus Christus ist der innere Friede, der uns befähigt, dem Sturm standzuhalten, weil wir wissen, dass wir nicht untergehen, weil Christus mit uns im Boot ist.

Dies ist der Glaube, den wir gesehen haben, als wir Familien nach den Waldbränden in Chile besucht haben. Ihre Häuser sind völlig niedergebrannt. Sie haben alles verloren. Doch als wir den Ort besichtigten, wo vorher ihre Häuser standen, und sie uns von ihren Erlebnissen erzählten, hatten wir das Gefühl, auf heiligem Boden zu stehen. Eine Schwester sagte meiner Frau: „Als ich die Häuser in der Umgebung brennen sah, kam mir der Eindruck, dass auch unser Haus niederbrennen wird, dass wir alles verlieren werden. Doch statt Verzweiflung, verspürte ich einen unbeschreiblichen Frieden. Und ich hatte irgendwie das Gefühl, dass alles gut werden würde.“ Gott zu vertrauen und unsere Bündnisse mit ihm zu halten, schenkt uns in unserer Schwäche Kraft und in unserem Kummer Trost.

Ich bin dankbar, dass Renee und ich einige dieser außergewöhnlichen Heiligen kennenlernen durften, dankbar für ihr Beispiel an Glauben, Stärke und Ausdauer. Es sind Geschichten voller Schmerz und Enttäuschung, die es nie auf die Titelseite einer Zeitung schaffen oder „viral gehen“ – vergossene Tränen und innige Gebete nach einem Verlust oder einer traumatischen Scheidung, die nicht in Bildern festgehalten werden; Angst, Kummer und Schmerz, die nie in sozialen Medien gepostet werden und die nur dank des Glaubens an Jesus Christus und sein Sühnopfer erträglich sind. Diese Menschen stärken meinen eigenen Glauben, und dafür bin ich zutiefst dankbar.

Ich weiß, dies ist die Kirche Jesu Christi. Ich weiß, dass er bereitsteht, um uns mit seiner Macht auszustatten, wenn wir an jedem neuen Tag zu ihm kommen. Im Namen Jesu Christi. Amen.