Generalkonferenz
Liebe umgibt mich hier
Herbst-Generalkonferenz 2023


Liebe umgibt mich hier

Mögen wir lernen, in unserem Herzen und in der Familie, bei unseren Berufungen im Evangelium, bei Aktivitäten, bei der Betreuung und beim Dienst am Nächsten die Liebe Jesu Christi sprechen zu lassen und zu hören

Unsere PV-Kinder singen das Lied: „Liebe umgibt mich hier“1.

Ich habe meiner Frau einmal ein kleines Medaillon geschenkt. Darin habe ich eingravieren lassen: Punkt-Punkt, Punkt-Punkt, Punkt-Punkt-Strich. Wer mit dem Morsealphabet vertraut ist, erkennt die Buchstaben I, I und U. Aber darin steckt noch eine zweite Verschlüsselung. In Mandarin bedeutet I, englisch ausgesprochen „ai“, Liebe. Entschlüsselt lautet die Botschaft also: „Ich liebe dich.“ Susan, Schatz: „I–I–U: Ich liebe dich.“

Liebe kann man in vielen Sprachen ausdrücken. Ich habe mir sagen lassen, dass es derzeit 7.168 lebende Sprachen gibt.2 In der Kirche verwenden wir 575 Hauptsprachen und zahlreiche Dialekte. Außerdem kommunizieren wir Absicht, Tonfall und Emotionen durch Kunst, Musik, Tanz, logische Symbole, zwischenmenschliche und innere Dialoge und so weiter.3

Heute wollen wir über drei Sprachen der Liebe im Evangelium sprechen: die Sprache der Warmherzigkeit und Ehrfurcht, die Sprache des Dienens und Opferns und die Sprache der Zugehörigkeit durch Bündnisse.

Die erste Sprache des Evangeliums ist die Warmherzigkeit und Ehrfurcht.

Mit Warmherzigkeit und Ehrfurcht fragt meine Frau Kinder und Jugendliche: „Woher wisst ihr, dass eure Eltern und Familien euch liebhaben?“

In Guatemala sagen die Kinder: „Meine Eltern arbeiten hart, damit sie unsere Familie ernähren können.“ In Nordamerika sagen die Kinder: „Meine Eltern lesen mir Gutenachtgeschichten vor und bringen mich ins Bett.“ Im Heiligen Land sagen die Kinder: „Meine Eltern beschützen mich.“ In Ghana sagen die Kinder: „Meine Eltern helfen mir bei den Zielen für die Kinder und die Jugendlichen.“

Ein Kind antwortete: „Auch wenn meine Mutter nach der Arbeit sehr müde ist, geht sie mit mir nach draußen und spielt mit mir.“ Der Mutter kamen die Tränen, als sie hörte, dass dieses Opfer, das sie jeden Tag bringt, ihrem Kind etwas bedeutet. Eine junge Frau sagte: „Auch wenn meine Mutter und ich manchmal nicht einer Meinung sind, vertraue ich meiner Mutter.“ Auch dieser Mutter kamen die Tränen.

Manchmal brauchen wir die Gewissheit, dass die Liebe, die uns umgibt, wahrgenommen und geschätzt wird.

Mit Warmherzigkeit und Ehrfurcht richten wir in unseren Abendmahls- und sonstigen Versammlungen den Blick auf Jesus Christus. Wir sprechen ehrfürchtig vom Sühnopfer Jesu Christi, mit persönlichem und realem Bezug, und nicht nur vom abstrakten Konzept des Sühnopfers. Wir nennen die wiederhergestellte Kirche von Jesus Christus nach ihm: Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Wir verwenden beim Beten eine ehrfürchtige Sprache, wenn wir uns an den Vater im Himmel wenden, und sind herzlich und respektvoll, wenn wir miteinander sprechen. Wenn wir Jesus Christus als das Herzstück der Tempelbündnisse erkennen, sprechen wir weniger davon, dass wir „in den Tempel gehen“, sondern vielmehr davon, dass wir „im Haus des Herrn zu Jesus Christus kommen“. Mit jedem Bündnis flüstert es leise: „Liebe umgibt mich hier“.

Neue Mitglieder sagen, dass man das Vokabular der Kirche oft erst entschlüsseln muss. Wir schmunzeln über Abkürzungen wie JD, JM und FHV oder wenn jemand beim Pfahlhaus an Holzhütten denkt und dass andere bei der Abkürzung PV zuerst Photovoltaik-Anlagen im Sinn haben. Aber lassen Sie uns bitte verständnisvoll und freundlich sein, wenn wir gemeinsam neue Sprachen der Liebe lernen. Einer Neubekehrten wurde in der Kirche gesagt, ihre Röcke seien zu kurz. Anstatt beleidigt zu sein, entgegnete sie: „Innerlich bin ich bekehrt. Bitte haben Sie etwas Geduld, bis auch meine Röcke so weit sind.“4

Unsere Worte können uns anderen Christen und Freunden näherbringen oder uns von ihnen entfernen. Manchmal sprechen wir von Missionsarbeit, Tempelarbeit, humanitärer Hilfe und Wohlfahrt so, dass der Eindruck entstehen könnte, wir hielten das alles für allein unser Werk. Lassen Sie uns stets warmherzig und ehrfürchtig davon sprechen, wie dankbar wir für Gottes Werk und Herrlichkeit sowie für die Verdienste, die Barmherzigkeit und die Gnade Jesu Christi und seines Sühnopfers sind.5

Die zweite Sprache des Evangeliums: Dienen und Opfern.

Wenn wir uns jede Woche in der Kirche versammeln, um den Sabbat zu ehren und zu genießen, können wir Jesus Christus und anderen gegenüber ausdrücken, wozu uns das Abendmahlsbündnis verpflichtet – durch unsere Berufungen in der Kirche, unsere Gemeinschaft, den Kontakt miteinander und den Dienst am Nächsten.

Wenn ich örtliche Führer der Kirche frage, was ihnen Sorgen bereitet, antworten die Brüder wie die Schwestern: „Einige unserer Mitglieder nehmen keine Berufungen in der Kirche an.“ Eine Berufung, dem Herrn und einander in seiner Kirche zu dienen, gibt uns die Gelegenheit, an Mitgefühl, Fertigkeiten und Demut zu wachsen. Wenn wir eingesetzt sind, können wir Inspiration vom Herrn empfangen, wie wir andere und uns selbst aufrichten und stärken können. Natürlich wirken sich unsere Lebensumstände und Lebensphasen mitunter darauf aus, in welchem Umfang wir dienen können, aber hoffentlich schmälern sie nie unseren Wunsch zu dienen. Wie König Benjamin sagen wir: „Hätte ich, so würde ich geben“6, und geben alles, was wir können.

Liebe Führungsverantwortliche in den Pfählen und Gemeinden, tun wir unseren Teil! Wenn wir Brüder und Schwestern berufen, in der Kirche des Herrn zu dienen, oder sie entlassen, dann lassen Sie uns dies bitte mit Würde und Inspiration tun. Bringen Sie Ihre Wertschätzung und Ihre Zuversicht zum Ausdruck. Bitte beraten Sie sich mit den Schwestern, die eine Führungsposition innehaben, und hören Sie ihnen zu. Mögen wir an die Worte von Präsident J. Reuben Clark denken, dass wir in der Kirche des Herrn dort dienen, wo wir berufen sind – ohne dabei nach einem Amt zu streben oder es abzulehnen.7

Als meine Frau und ich heirateten, gab uns Elder David B. Haight einen Rat: „Übt immer eine Berufung in der Kirche aus. Vor allem, wenn das Leben hektisch wird“, sagte er, „müsst ihr, wenn ihr dient, die Liebe des Herrn sowohl für die euch Anvertrauten als auch für euch selbst verspüren.“ Ich verheiße Ihnen, dass uns Liebe immer dann umgibt, wenn wir eine Berufung annehmen und dem Herrn in seiner Kirche durch seinen Geist und unsere Bündnisse dienen.

Die wiederhergestellte Kirche des Herrn kann für eine Zionsgemeinschaft wie ein Brutkasten sein. Wenn wir gemeinsam Gott verehren, einander dienen, gemeinsam Freude haben und seine Liebe erfahren, verankern wir einander in seinem Evangelium. Wir mögen politisch oder in gesellschaftlichen Fragen anderer Meinung sein, aber wir finden Harmonie, wenn wir gemeinsam im Gemeindechor singen. Es stärkt unsere Verbundenheit und wirkt der Vereinsamung entgegen, wenn wir einander regelmäßig und voll Liebe zuhause und in der Nachbarschaft betreuen.

Wenn ich mit Pfahlpräsidenten Mitglieder besuche, spüre ich, wie sehr sie die Mitglieder in all ihren Lebenslagen liebhaben. Als ich einmal mit einem Pfahlpräsidenten an der Wohnung einiger Mitglieder seines Pfahles vorbeifuhr, meinte er, es spiele keine Rolle, ob man in einem Haus mit Schwimmbecken oder einem mit Lehmboden wohnt: In der Kirche zu dienen ist ein Vorzug, der meist mit Opfern verbunden ist. Doch wenn wir im Evangelium gemeinsam dienen und Opfer bringen, so seine klugen Worte, finden wir weniger Fehler und mehr Frieden. Wenn wir es zulassen, hilft Jesus Christus uns, seine Liebe sprechen zu lassen.

In diesem Sommer lernte unsere Familie wunderbare Mitglieder und Freunde der Kirche in Loughborough und Oxford in England kennen. Diese schönen Zusammenkünfte erinnerten mich daran, wie gesellige Aktivitäten und Dienstprojekte der Gemeinde eine neue und bleibende Verbundenheit im Evangelium schaffen können. Ich habe schon länger das Gefühl, dass in der Kirche mancherorts ein paar mehr Gemeindeaktivitäten, die natürlich mit Blick auf das Evangelium geplant und durchgeführt werden, uns mit noch größerer Zugehörigkeit und Einigkeit miteinander verbinden könnten.

Ein inspirierter Aktivitätenbeauftragter der Gemeinde und ein entsprechendes Komitee fördern den Einzelnen ebenso wie eine Gemeinschaft von Heiligen. Ihre gut geplanten Aktivitäten tragen dazu bei, dass sich jeder geschätzt und einbezogen fühlt und gern einen wichtigen Beitrag leistet. Solche Aktivitäten überbrücken Altersunterschiede und Lebensumstände, schaffen bleibende Erinnerungen und können mit geringen oder gar keinen Kosten durchgeführt werden. Unterhaltsame Aktivitäten mit Bezug zum Evangelium sprechen auch Nachbarn und Freunde an.

Geselligkeit und der Dienst am Nächsten gehen oft Hand in Hand. Junge Erwachsene wissen: Wenn man jemanden wirklich kennenlernen will, dann sollte man Seite an Seite auf einer Leiter bei einem Dienstprojekt gemeinsam malern.

Bild
Junge Erwachsene malern bei einem Dienstprojekt

Natürlich ist kein Mensch und keine Familie vollkommen. Wir alle brauchen Hilfe dabei, dass uns Liebe umgibt. „Vollkommene Liebe vertreibt die Furcht.“8 Mit Glauben, Dienst am Nächsten und Opfern wachsen wir über uns selbst hinaus und kommen unserem Erretter näher. Je mehr Mitgefühl wir haben und je treuer und selbstloser wir in Christus dienen und opfern, desto mehr begreifen wir nach und nach das sühnende Mitgefühl Jesu Christi und seine Gnade.

Das führt uns zu der nächsten Sprache des Evangeliums: Zugehörigkeit durch Bündnisse.

Wir leben in einer selbstsüchtigen Welt. Oftmals geht es zuerst um die eigenen Bedürfnisse, als ob wir selbst am besten wüssten, was in unserem Interesse ist und wie wir es verfolgen.

Aber letztendlich stimmt das nicht. Jesus Christus verkörpert diese beeindruckende, zeitlose Wahrheit:

„Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.

Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?“9

Jesus Christus bietet uns einen besseren Weg – eine Beziehung, die auf einem Bündnis mit Gott beruht, das stärker ist als die Fesseln des Todes. Die Zugehörigkeit durch Bündnisse mit Gott und miteinander kann uns und unsere wichtigsten Beziehungen heilen und heiligen. In Wahrheit kennt der Herr uns besser und liebt er uns mehr, als wir uns selbst kennen und lieben. In Wahrheit können wir mehr werden, als wir jetzt sind, wenn wir mit einem Bund alles weihen, was wir sind. Gottes Macht und Weisheit kann uns mit jeder guten Gabe segnen, zu seiner Zeit und auf seine Weise.

Die generative künstliche Intelligenz (KI) hat bei der Übersetzung von Sprachen große Fortschritte gemacht. Längst sind die Zeiten vorbei, in denen ein Computer die Redewendung „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ mit „Das Gespenst ist bereit, aber das Fleisch ist kraftlos“ übersetzt hat. Interessanterweise lernt der Computer eine Sprache effektiver, wenn man ihm immer wieder umfangreiche Sprachbeispiele zuführt, als wenn man Grammatikregeln einprogrammiert.

In ähnlicher Weise sind unsere eigenen unmittelbaren, wiederholten Erfahrungen vielleicht die beste geistige Methode, um die Sprachen des Evangeliums zu lernen: Warmherzigkeit und Ehrfurcht, Dienen und Opfern und Zugehörigkeit durch Bündnisse.

Wo und wie spricht Jesus Christus voller Liebe zu Ihnen?

Wo und wie umgibt Sie seine Liebe?

Mögen wir lernen, in unserem Herzen und in der Familie, bei unseren Berufungen im Evangelium, bei Aktivitäten, bei der Betreuung und beim Dienst am Nächsten seine Liebe sprechen zu lassen und zu hören.

Nach Gottes Plan werden wir alle eines Tages von diesem Leben in das nächste Leben übergehen. Ich stelle mir vor, dass der Herr, wenn wir ihm begegnen, uns mit lehrreichen und verheißungsvollen Worten sagt: „Meine Liebe umgibt uns hier.“ Im heiligen Namen Jesu Christi. Amen.